Der Gutachtenstil – Einfach erklärt

Du könntest ein Jurastudent sein. Jurastudent ist, wer sich Artikel über den Gutachtenstil durchliest. Du liest dir gerade einen Artikel über den Gutachtenstil durch. Demnach bist du ein Jurastudent.

Was jetzt klang wie eine filmreife Deduktion von Sherlock Holmes, war in Wirklichkeit nur ich, der den Gutachtenstil in seiner reinsten Form angewandt hat. Du willst das auch können? Hier erkläre ich ihn dir.

Für Jurastudenten sind zunächst einmal zwei Stilarten von Relevanz. Der Gutachtenstil und der Urteilsstil. Während du in Klausuren des ersten Semesters ausschließlich den Gutachtenstil verwendest, mischt sich später immer öfter der Urteilsstil bei unproblematischen Prüfungspunkten unter. Beim Urteilsstil beginnt man mit der Lösung des Sachverhalts und geht dann Stück für Stück durch, wie und vor allem warum man auf die Lösung gekommen ist. Der Gutachtenstil funktioniert genau andersherum: Obersatz, Definition, Subsumtion, Ergebnis. Diese Punkte führst du bei jedem Gliederungspunkt an. Alles jetzt noch im Detail.

Der Obersatz

Der Obersatz bildet die Fragestellung von jedem einzelnen Prüfungspunkt in der Klausur. Am Beispiel der Kausalität: Der Schuss des A könnte kausal sein für den Tod des B.

Wichtig ist hier der Konjunktiv, denn schließlich weißt du noch nicht, ob der Schuss wirklich kausal war für den Tod des B. Du formulierst also das, was du herausfinden möchtest als Obersatz.

Die Definition

Hier definierst du was nötig wäre, damit aus dem Konjunktiv im Obersatz ein Indikativ wird, dabei bringst du die Definition aber ohne Fallbezug, sondern neutral. Hier am Beispiel der Kausalität: Kausal ist eine Handlung für einen Erfolg, gemäß der conditio-sine-qua-non-Formel, dann, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Mehr als die jeweils passende Definition brauchst du bei diesem Punkt nicht zu erwähnen.

Die Subsumtion

Passt die Definition zum Sachverhalt? In diesem Gliederungspunkt prüfst du, ob der Sachverhalt der Definition entspricht: Wenn A nicht auf B geschossen hätte, dann wäre B nicht gestorben.

Klasse, die Definition passt also!

Das Ergebnis

Hat der Sachverhalt zur Definition gepasst? Hier schreibst du jetzt die Antwort auf die im Obersatz aufgeworfene Frage hin: Demnach war der Schuss des A kausal für den Tod des B.

Voila, Prüfungspunkt im Gutachtenstil abgearbeitet.

Es ist manchmal etwas verschachtelt

Manchmal kannst du einen Obersatz nicht endgültig beantworten, wenn du nicht zuvor einen anderen Obersatz geklärt hast:

A könnte sich gemäß § 212 StGB strafbar gemacht haben, indem er auf B geschossen hat. (Obersatz 1)

Dafür müsste zunächst einmal der objektive Tatbestand des § 212 StGB erfüllt sein. (Obersatz 2)

Es könnte ein Taterfolg vorliegen. (Obersatz 3)

Ein Taterfolg nach § 212 StGB ist der Tod eines Menschen. (Definition des Obersatz 3)

B ist gestorben. (Subsumtion des Obersatz 3)

Demnach liegt ein Taterfolg des § 212 StGB vor. (Ergebnis des Obersatz 3)

Des Weiteren müsste eine Tathandlung vorliegen. (Obersatz 4) …

Zur Erklärung: Der erste Obersatz ist die Fallfrage. Diese Fallfrage kann erst gelöst werden, wenn die einzelnen Obersätze der jeweils untergeordneten Prüfungspunkte beantwortet werden. So müssen für die Falllösung zunächst der objektive und der subjektive Tatbestand, die Rechtswidrigkeit und die Schuld geklärt werden. Um den objektiven Tatbestand zu lösen, müssen die Unterpunkte Erfolg, Handlung usw. geklärt werden. Erst wenn alle Unterpunkte gelöst sind, lässt sich der erste Obersatz, die Fallfrage, beantworten.

Noch Fragen zum Gutachtenstil? Stelle sie in den Kommentaren oder nutze die Suchfunktion! Hast du außerdem das Schema zum vorsätzlichen Begehungsdelikt noch drauf?

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