Art. 2 I GG – Die Allgemeine Handlungsfreiheit

In Artikel 2 I GG ist die sogenannte Allgemeine Handlungsfreiheit geregelt. Die heißt so, weil in ihren Schutzbereich tatsächlich jedes erdenkliche menschliche Verhalten fällt, solange es nicht von einem anderen Grundrecht geschützt ist. Aufgrund dieses sehr weit gefassten Schutzbereichs wird Art. 2 I GG auch häufig als ein “Auffanggrundrecht” bezeichnet.

Das hat auch zur Folge, dass die Allgemeine Handlungsfreiheit wohl in nahezu jeder Klausur zumindest anzusprechen ist, auch wenn sie nur in seltenen Fällen den Schwerpunkt jener darstellen wird.

Zeit also, das Mysterium um Art. 2 I GG zu lüften.

Das Schema

Wie immer, wenden wir uns zunächst dem allgemeinen Prüfungsschema der Grundrechte zu. Zur Erinnerung:

I. Schutzbereich

   1. Persönlicher Schutzbereich

   2. Sachlicher Schutzbereich

II. Eingriff

III. Rechtfertigung

Jetzt müssen wir das ganze Schema nur noch im Lichte der Allgemeinen Handlungsfreiheit betrachten. Am besten liest du dafür den Gesetzestext von Art. 2 I GG mal durch.

I. Schutzbereich

Wie gewohnt prüfst du zunächst, ob der Schutzbereich des Art. 2 I GG überhaupt betroffen ist und das Grundrecht damit anwendbar ist.

1. Persönlicher Schutzbereich

Im Gesetzestext des Art. 2 I GG steht: “Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.”

Das für uns hier wichtige Wort: “Jeder”. Die Allgemeine Handlungsfreiheit soll also nicht nur deutsche Staatsbürger schützen, sondern jeden. Somit handelt es sich um ein Jedermann-Grundrecht beziehungsweise um ein Menschenrecht.

2. Sachlicher Schutzbereich

Der sachliche Schutzbereich des Art. 2 I GG ist umstritten. Für die ganz interessierten gibt es /hier/ den entsprechenden Meinungsstreit dazu. Grundsätzlich ist die herrschende Meinung mittlerweile aber so etabliert, dass du in einer Klausur den Schutzbereich nicht wirklich diskutieren musst. Nach jener dient Art. 2 I GG als Auffanggrundrecht und schützt jegliches menschliches Verhalten, sofern nicht ein spezielleres Grundrecht einschlägig ist.

Egal ob Fahrradfahren auf Wanderwegen, lautes Musikabspielen während der Nachtruhe oder das Trinken von Mineralwasser mit Kohlensäure, alles wird vom Schutzbereich des Art. 2 I GG erfasst.

Aber keine Sorge, im Rahmen der Rechtfertigung werden dann die nicht-schützenswerten Handlungen noch aussortiert. So viel sei schonmal gesagt: Der – mir nicht nachvollziehbare – Konsum von Kohlensäurehaltigem Mineralwasser bleibt geschützt.

II. Eingriff

Häufig wird vertreten, dass ein Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit nach dem modernen Eingriffsbegriff immer dann vorliegt, wenn die Handlungsmöglichkeiten eines Grundrechtsträgers in irgendeiner Weise erschwert oder eingeschränkt werden.

Erwähnenswert ist hierbei aber eine Ansicht, die, aufgrund der enormen Weite des Schutzbereichs von Art. 2 I GG, Eingriffe lediglich nach dem klassischen Eingriffsbegriff zulässt.

Da diese Eingriffsdefinition jedoch bekanntermaßen zu kurz greift, bietet sich im Zweifel ein Kompromiss an: Zwar gilt grundsätzlich der moderne Eingriffsbegriff, jedoch muss die vorliegende Beeinträchtigung von erheblichem Gewicht sein.

Für die Klausur solltest du dir merken, dass ein Eingriff nach dem klassischen Eingriffsbegriff grundsätzlich tauglich ist, bei allem darüber hinaus gilt es abzuwägen. Wichtig wäre es wohl, dass der Eingriff zumindest unmittelbar ist:
Angenommen, eine Stadt schließt eine dort ansässige Eisdiele. Jetzt könnte jeder Kunde gegen diese Maßnahme eine Verfassungsbeschwerde gestützt auf Art. 2 I GG erheben, denn schließlich kann er nun – mittelbar in Folge der Schließung – nicht mehr das Eis dieser Eisdiele essen. Das Bundesverfassungsgericht könnte sich folglich nicht mehr vor Klagen retten.

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Hier stellt sich nun die Frage, ob der vorliegende Eingriff in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit gerechtfertigt sein könnte.

1. Schranken

Dazu müssen zunächst einmal die Schranken des Art. 2 I GG erörtert werden. Dort solltest du grundsätzlich den Begriff der sogenannten Schrankentrias erwähnen. Denn die allgemeine Handlungsfreiheit kann nur durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz beschränkt werden. Relevant für uns ist die verfassungsmäßige Ordnung, also jedes formell und materiell verfassungsgemäße Gesetz. Die anderen beiden sind in jener enthalten, was uns zwangsläufig zu einem einfachen Gesetzesvorbehalt führt. Erklärt man das so in einer Klausur, fühlt es sich ein wenig weit ausgeholt an, für das dann doch relativ simple Ergebnis. Nichtsdestotrotz wird eine kurze Stellungnahme dazu erwartet.

2. Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

In der Prüfung der Ermächtigungsgrundlage entstehen soweit keine besonderen Probleme. Du solltest wie immer kurz die formelle Verfassungsmäßigkeit ansprechen, die du aber kurz abhandeln kannst, sofern sie unproblematisch ist. Bei der materiellen Verfassungsmäßigkeit entfällt eine Prüfung der schrankenspezifischen Anforderungen, da es sich ja lediglich um einen einfachen Gesetzesvorbehalt handelt, weshalb du dein Hauptaugenmerk auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung richten solltest.

3. Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes

Und zu guter Letzt, sofern es denn im Sachverhalt einen gibt, solltest du noch den Einzelakt unter die Lupe nehmen. Da das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist, gilt es hier im absoluten Regelfall nur noch die Verhältnismäßigkeit anzusprechen. Schließlich spielen nur dort noch die Grundrechte eine Rolle.

Hast du noch Fragen zur allgemeinen Handlungsfreiheit? Dann stelle sie mir doch in den Kommentaren! 🙂

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