Stellvertretung, Botenschaft und Ermächtigung – eine Abgrenzung

Die Rechtswissenschaft ist eine vermeintlich unüberschaubare Materie, deren Komplexität nur noch von ihrem Umfang übertroffen werden kann. So viel Stoff kann nicht schlicht auswendig gelernt werden. Viel mehr sollte beim Erlernen ein Schwerpunkt auf das Aneignen von verknüpftem Wissen gesetzt werden. In diesem Artikel steht deshalb das Verhältnis von drei zivilrechtlichen Konstrukten im Mittelpunkt. Indem man sich deren entscheidende Unterschiede vergegenwärtigt, schafft man nicht nur ein Verständnis für die Institute selbst, sondern erlernt auch das zu Grunde liegende System.

Die Stellvertretung

Die Stellvertretung nach den §§ 164 ff. BGB charakterisiert sich dadurch, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung im Namen eines anderen abgibt. Das erfordert zunächst einmal die Fähigkeit des Stellvertreters, eine eigene Willenserklärung abgeben zu können, was beispielsweise nicht der Fall bei geschäftsunfähigen Personen ist. Gleichzeitig muss deutlich werden, dass die Erklärung nicht im Namen des Stellvertreters getätigt wird, sondern im Namen des Vertretenen. Wir halten fest:

  • eigene Willenserklärung
  • im fremden Namen

Die Botenschaft

Die im Gesetz nicht näher geregelte Botenschaft richtet sich nach den §§ 164 ff. BGB analog. Wie der Name schon verrät, handelt es sich hierbei um die Überbringung einer fremden Botschaft, oder hier eben Willenserklärung. Der Bote gibt somit keine eigene, sondern die Willenserklärung des Hintermannes ab. Folglich ist die Fähigkeit der Bildung einer Willenserklärung keine Voraussetzung der Botenschaft, weshalb auch nicht Geschäftsfähige, wie beispielsweise Kinder die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 104 Nr. 1 BGB), Bote sein können.

"Und ist das Kindlein noch so klein, kann es doch schon Bote sein."

Man kann für die Botenschaft also sagen:

  • fremde Willenserklärung
  • im fremden Namen

Die Ermächtigung

Die Ermächtigung zur Verfügung ist in § 185 I BGB geregelt. Hiernach kann ein zur Verfügung Berechtigter, zumeist der Eigentümer, einem Dritten erlauben, über den Gegenstand zu verfügen, ihn also beispielsweise an einen anderen zu übereignen. Der Dritte tritt dabei nach Ermächtigung vollständig autark auf. Gibt demnach eine eigene Willenserklärung im eigenen Namen ab. Die Folge seiner Erklärung wirkt sich dann auf denjenigen aus, der ihn zur Verfügung ermächtigte.

Über § 185 I BGB wird ausdrücklich nur zu Verfügungen berechtigt. Der Ermächtigte kann somit nur dingliche Willenserklärungen mit Wirkung für den Berechtigten abgeben.

Mithin ergibt sich:

  • eigene Willenserklärung
  • im eigenen Namen
  • mit Berechtigung

In der Klausur

Relevant wird die Unterscheidung der verschiedenen Institute insbesondere bei der Prüfung einer Übereignung nach § 929 S. 1 BGB. Wir prüfen dabei:

  1. Einigung
  2. Übergabe
  3. (Einigsein)
  4. Berechtigung

Sowohl der Stellvertreter, als auch der Bote, handeln im fremden Namen. Sie sorgen mithin also nur dafür, dass A sein Fahrrad an B übereignen kann, ohne dabei selbst mit B interagieren zu müssen. Sie übernehmen die Vermittlung im Rahmen der Einigung und sind mithin auch unter diesem Prüfungspunkt zu thematisieren.

Der Ermächtigte hingegen tritt im eigenen Namen auf. Es wird folglich nicht geprüft, ob sich A und B (über einen Mittelmann) geeinigt haben, sondern ob sich der Ermächtigte mit B geeinigt hat. Bei der Einigung ist auf eine Ermächtigung folglich noch nicht einzugehen. Relevant wird diese erst bei der Prüfung der Berechtigung. Ob der Ermächtigte also wirklich zur Verfügung berechtigt war. Wenn nicht, schließt sich hier regelmäßig eine Prüfung des § 932 I BGB an.

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