Art. 1 I GG – Die Menschenwürde

Dieser Beitrag beschäftigt sich voll und ganz mit der Menschenwürde, wie sie in Artikel 1 I GG geregelt ist. Als das wohl bekannteste Grundrecht ist die Menschenwürde Mittelpunkt vieler Prüfungen, wenn auch häufig nur im Rahmen des Frageteils. Wieso die Menschenwürde für den Fallteil der Klausur eher weniger geeignet ist, erzähle ich dir später. Viel interessanter ist nämlich zunächst, ob die Menschenwürde überhaupt ein Grundrecht ist.

Grund für diese Diskussion ist Art. 1 III GG (reinschauen!). Dort ist die Rede von der Bindungswirkung der – Achtung! – nachfolgenden Grundrechte. Art. 1 I GG ist aber vor und nicht nach Art. 1 III GG und demnach kein Grundrecht im Sinne des Art. 1 III GG. So zumindest die Argumentation der einen Ansicht. Diese Ansicht kannst du aber getrost ablehnen, indem du auf den Sinn und Zweck und die Systematik des Grundgesetzes verweist, so findest du dort keinerlei Anhaltspunkte, warum ausgerechnet Art. 1 I GG kein Grundrecht sein soll, trotz der wohl unglücklichen Formulierung des Art. 1 III GG.

Ohne jetzt ein großes Fass aufzumachen, bejahe ich in diesem Artikel die Grundrechtstellung der Menschenwürde, sonst könnte ich dir ja schließlich auch nicht ihr tolles Prüfungsschema zeigen; Wir erinnern uns:

I. Schutzbereich

  1. Persönlicher Schutzbereich

  2. Sachlicher Schutzbereich

II. Eingriff

III. Rechtfertigung

Soweit das grundsätzliche Prüfungsschema der Freiheitsgrundrechte. Lass uns also dieses Schema mal auf die Menschenwürde anwenden.

I. Schutzbereich

Zunächst müssen wir feststellen, wer und vor allem was überhaupt von Art. 1 I GG geschützt wird.

1. Persönlicher Schutzbereich

Gemäß Art. 1 I GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Aus dessen Wortlaut ergibt sich, dass jeder Mensch vom Schutzbereich erfasst wird. Die Menschenwürde ist mithin also ein Menschenrecht bzw. ein Jedermann-Grundrecht.

Interessanter ist, ob davon auch ungeborenes Leben erfasst ist. Diese Fragestellung stellt einen unglaublich brisanten Meinungsstreit dar, den ich in seiner Gesamtheit /hier/ besprechen werde. Grundsätzlich sind beide Ansichten gut vertretbar, in einer Grundrechte Klausur empfiehlt es sich im Zweifel aber wohl den Schutzbereich eines ungeborenen Lebens zu bejahen, einfach damit du auch dessen Menschenwürde prüfen kannst.

2. Sachlicher Schutzbereich

Auch hier scheiden sich die Geister. So ist es bislang niemandem gelungen den sachlichen Schutzbereich des Art. 1 I GG positiv und abschließend zu formulieren, wohl gibt es aber sehr viele gute Versuche, welche ich /hier/ näher betrachten werde.

Für die Klausur reicht im Normalfall die hoffentlich geläufige “Objektformel” von Günter Dürig aus. Dieser formulierte den Schutzbereich negativ, und zwar in etwa wie folgt: Der Schutzbereich des Art. 1 I GG ist immer dann betroffen, wenn der Mensch zum Objekt staatlichen Handelns wird.

Für die Klausur ist das soweit eine solide Grundlage.

II. Eingriff

Je nachdem welcher Schutzbereichsdefinition du gefolgt bist, prüfst du dann hier, ob in diesen Schutzbereich eingegriffen wurde. Nach der Objektformel also immer dann, wenn der Mensch im konkreten Sachverhalt zum Objekt staatlichen Handelns gemacht wurde. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Person versklavt oder gefoltert wird.

Gegebenenfalls aber auch, wenn die Person Passagier eines entführten Flugzeuges ist. Und zwar dann, wenn der Staat das Flugzeug, welches von den Entführern als Mittel für einen Anschlag auf ein Fußballstadion eingesetzt wird, abschießen lässt, um die Fans im Fußballstadion zu retten.

Sehr spannender Fall, den ich /hier/ in allen Details bespreche.

III. Rechtfertigung

Kommen wir zum wahren Knaller des Art. 1 I GG und zu dem Grund, warum er bei Studenten eigentlich relativ beliebt ist.

Während bei anderen Grundrechten der Klausurschwerpunkt auf der Rechtfertigung liegt, kannst du im Rahmen der Menschenwürde einfach aufs Gesetz verweisen: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Eingriffe in den Schutzbereich der Menschenwürde sind nicht zu rechtfertigen und mithin stets verfassungswidrig. Kein Meinungsstreit, keine Gegenansicht.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Menschenwürde ein wohl relativ dankbares Grundrecht für eine Klausur darstellen würde, wenn auch manch sadistische Fallkonstellationen denkbar sind. Was du bei anderen Grundrechten an Punkten in der Rechtfertigung holen kannst, gilt es bei der Menschenwürde im Schutzbereich zu sammeln. Auch beim Eingriff kannst und solltest du noch diskutieren, denn wenn du einmal einen Eingriff bejaht hast, gibt es aufgrund der Unantastbarkeit kein Zurück mehr.

Beachte auch, dass Art. 1 I GG in Verbindung mit Art. 2 I GG die Grundlage für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bildet.

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