Prüfungsschema der Freiheitsgrundrechte

Kommen wir also zu einem absolut klausurrelevanten Aspekt: Das Prüfungsschema der Grundrechte. Genau genommen beschäftigt sich der heutige Artikel mit der Prüfung der Freiheitsgrundrechte, denn es ist durchaus bei Aufbau der Prüfung zwischen Freiheits- und Gleichheitsgrundrechten zu unterscheiden.

Hast du in der Grundrechtsklausur also dein in Frage kommendes Freiheitsgrundrecht entdeckt, prüfst du als nächstes, ob es einschlägig ist und zwar so:

I. Schutzbereich

   1. Persönlicher Schutzbereich

   2. Sachlicher Schutzbereich

II. Eingriff

III. Rechtfertigung

   1. Schranken

   2. Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

   3. Verfassungsmäßigkeit der konkreten Maßnahme

Bei den Grundrechten gilt, noch mehr als bei den anderen Themen die auf diesem Blog behandelt werden, dass dir das Schema allein sehr wenig bringt. Klar, denn so ein kurzes Schema werden dir alle deine Kommilitonen und Kommilitoninnen aufsagen können. Es lohnt sich also ein Blick ins Detail.

I. Schutzbereich

Bei dem Prüfungspunkt des Schutzbereichs stellt sich mehr oder minder die Frage, ob das entsprechende Grundrecht denn überhaupt auf den Sachverhalt angewendet werden kann. Man spricht davon, – Achtung, merken für die Klausur – ob der Schutzbereich eines Grundrechts berührt wird.

1. Persönlicher Schutzbereich

Fraglich ist zunächst einmal, wen das entsprechende Grundrecht überhaupt schützt. Hier ist, wie in diesem Artikel bereits angesprochen, zwischen Menschenrechten (gelten für jeden) und Bürgerrechten (gelten für deutsche Staatsangehörige) zu differenzieren. Dies ist grundsätzlich sehr einfach aus dem Gesetzestext zu erschließen. Dort stehen Wendungen wie entweder: “Jeder hat das Recht…”, oder eben: “Alle Deutschen haben das Recht…”.

Außerdem sind auch inländische, juristische Personen von den Grundrechten geschützt, sofern sie auf jene anwendbar sind gemäß Art. 19 III GG (reinschauen!).

Einen Sonderfall bilden EU-Ausländer, davon sowohl natürliche als auch juristische Personen. Zu der Thematik findest du /hier/ einen kleinen Exkurs.

2. Sachlicher Schutzbereich

Der sachliche Schutzbereich ergibt sich ebenfalls aus dem Gesetzestext, bedarf aber häufig der genaueren Auslegung. Dies werde ich in den Artikeln zu den entsprechenden Grundrechten vornehmen.

Unter diesem Prüfungspunkt gilt es also zunächst einmal das Gesetz zu zitieren: Beispielsweise schützt Art. 5 I GG die Äußerung und Verbreitung deiner Meinung in Wort, Schrift und Bild. Aber was genau ist eine “Meinung”? Zu was ist sie abzugrenzen? Gibt es Medien, die von Art. 5 I GG nicht geschützt werden, oder ist mit den Begriffen “Wort”, “Schrift” und “Bild” alles abgedeckt?

Genau diese Fragen müsstest du hier gegebenenfalls aufwerfen und beantworten.

II. Eingriff

Im Rahmen des Eingriffs gibt es eine Standart-Abgrenzung, die man immer in der Klausur bringen kann: Klassischer Eingriffsbegriff vs. Moderner Eingriffsbegriff.

Grundsätzlich reicht es in Klausuren aber aus, dass man den Eingriff als “jede Verkürzung des Schutzbereichs” definiert.

Solltest du mal auf einen komplexeren Fall stoßen, lohnt es sich, die Abgrenzung zu beherrschen.

Der klassische Eingriffsbegriff

Nach diesem muss der Eingriff vier Voraussetzungen erfüllen. Die ersten beiden sind die Finalität und die Unmittelbarkeit. Die staatliche Maßnahme soll also beabsichtigt und ohne weitere Zwischenschritte den Schutzbereich verkürzen. Außerdem muss die Maßnahme noch auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet und letztlich auch noch mit Zwang durchsetzbar sein.

Die Kritik an dieser Art der Eingriffsdefinition ist, dass sie sehr eng ist und wenige staatliche Eingriffe tatsächlich auch darunter zu subsumieren sind.

Deshalb kam man mit einer anderen Eingriffsdefinition daher:

Der moderne Eingriffsbegriff

Der moderne Eingriffsbegriff fasst die Definition deutlich weiter auf und lässt jedes staatliche Handeln als Eingriff zählen, wenn es dem Betroffenen ein grundrechtlich geschütztes Handeln zumindest erschwert.

Im Zweifel solltest du immer dieser Auffassung folgen. Detaillierter wird der Eingriff aber /hier/ nochmal besprochen.

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Wenn du festgestellt hast, dass ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts vorliegt, heißt das noch nicht, dass deine Prüfung auch beendet ist. Denn der Staat darf durchaus in den Schutzbereich gewisser Grundrechte eingreifen, wenn ein solcher Eingriff denn auch gerechtfertigt ist. Und diese mögliche Rechtfertigung prüfst du wie folgt:

1. Schranken

Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen findet nur dort ihre Grenzen, wo die Möglichkeit der Ausübung dieser Rechte anderer Menschen geschützt werden muss. Solche Grenzen können nur durch Gesetze bestimmt werden (Paraphrase des Art. 4 der französischen Menschenrechtserklärung).

So werden auch Grundrechte durch Gesetze eingeschränkt und ermöglichen dem Staat in eben jene einzugreifen.

Eine solche Schranke findest du zum Beispiel in Art. 2 II 3 GG, nach welchem in “diese Rechte” nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden darf.

Die Art der Schranke unterscheidet sich jedoch von Grundrecht zu Grundrecht. Das auszuführen würde den Rahmen dieser Übersicht sprengen, deshalb findest du alles weitere zu den Schranken und welche Unterteilungen sich dort machen lassen /hier/.

2. Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

Nachdem du dir also bewusst gemacht hast, unter welchen Bedingungen in das vorliegende Grundrecht eingegriffen werden darf, musst du die Rechtsgrundlage des Eingriffs näher betrachten.

a. Formelle Verfassungsmäßigkeit

Zunächst prüfst du dabei die formelle Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesgrundlage, folglich, ob du die Gesetzgebungszuständigkeit, das Verfahren und die Form bejahen kannst. Im Rahmen der ersten Grundrechtsklausuren stellt dies grundsätzlich keine große Problematik dar, da dies eher ein Schwerpunkt im Staatsorganisationsrecht ist, weshalb ich dich zur näheren Ausführung auf /diesen Artikel/ vertrösten werde.

b. Materielle Verfassungsmäßigkeit

Anschließend beginnst du mit der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage. Wichtig ist, dass du dich hier lediglich mit der Norm an sich beschäftigst und keinerlei Sachverhaltsumstände verarbeitest. Die Betrachtung der konkreten Maßnahme erfolgt nämlich erst zu einem späteren Prüfungspunkt.

Hierunter prüfst du, ob die Gesetzesgrundlage den Ansprüchen der oben geprüften Schranken entspricht und ob das Gesetz grundsätzlich verhältnismäßig ist. Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit empfehle ich dir /diesen Artikel/.

3. Verfassungsmäßigkeit der konkreten Maßnahme

Letztlich wird auch hier wieder die Verhältnismäßigkeit und zusätzlich noch die Angemessenheit geprüft. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist sich wieder an /dieses Schema/ zu halten, während diesmal vor allem möglichst viele Argumente aus dem Sachverhalt verarbeitet werden sollen. Bei der Prüfung der Angemessenheit musst du eine Güterabwägung der beiden betroffenen Seiten vornehmen. Hier kannst du dich ruhig austoben. Da diese beiden Prüfungspunkte meist den Schwerpunkt der Klausur ausmachen, solltest du alles was du im Sachverhalt findest unterbringen.

An dieser Stelle gibt es auch eine kleine Entwarnung: Für welche Seite du dich letztlich entscheidest ist normalerweise nicht so wichtig, da sich meistens beide Seiten gut vertreten lassen. Viel wichtiger ist, dass deine Entscheidung auf der Grundlage einer sauberen und konsequenten Argumentation beruht.

Unter diesem Prüfungspunkt steht übrigens deshalb nur die Verhältnismäßigkeit im Fokus, weil nur dort die Grundrechte in der Regel eine Rolle spielen. Und begründet wird dies damit, dass das Bundesverfassungsgericht keine Superrevisionsinstanz ist, sondern sich eben nur mit den grundrechtlichen Fragen beschäftigt.

Dieses Schema wirst du in den weiteren Artikeln immer wieder vorfinden, dann jedoch bezogen auf die jeweiligen Grundrechte. Einen ersten Überblick hast du jetzt aber schonmal. 🙂

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