In polizeirechtlichen Klausuren kann die besondere Konstellation auftreten, dass die Polizeibeamten Zweifel daran haben, ob im konkreten Fall denn wirklich eine Gefahr im Sinne des PAG vorliegt. Es besteht also nur eine Möglichkeit oder eine Befürchtung einer bevorstehenden Rechtsgutsverletzung. Sie möchte den Sachverhalt deshalb erst weiter erforschen. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob die Polizei zum Zwecke einer solchen Erforschung bereits auf die polizeilichen Befugnisse zurückgreifen darf, welche das PAG bereitstellt, ob also der Gefahrenverdacht schon unter den Begriff der Gefahr subsumiert werden kann.
Der Meinungsstreit
Im Wesentlichen werden drei Ansichten vertreten:
Nach einer Ansicht in der Literatur liegt mit dem Gefahrenverdacht auch immer eine Gefahr im Sinne des PAG vor, bis sich herausstellt, dass keine Gefahr gegeben ist. Um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, sei jedoch die Erforschung in den Vordergrund zu rücken.
Nach einer anderen Auffassung in der Literatur sei durchaus zwischen der Gefahr und dem bloßen Gefahrenverdacht zu unterscheiden. Allerdings sei eine teleologische Reduktion vorzunehmen und auch der Gefahrenverdacht unter den Begriff der Gefahr zu subsumieren. Auch nach dieser Ansicht ist dem Umstand, dass eben nur ein Gefahrenverdacht vorliegt, auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung zu tragen. Letzten Endes kommen die erst genannte Ansicht und diese also zunächst zum selben Ergebnis.
Jedoch wird auch vertreten, dass der Tatbestand der Befugnisnormen, welche eine Gefahr voraussetzen, beim Vorliegen eines bloßen Verdachts nicht erfüllt ist. Laut dieser Ansicht verstoße eine andere Meinung gegen das Verbot, von der Aufgabe auf die Befugnis zu schließen. Demnach dürfte die Polizei beim Gefahrenverdacht nicht auf die Befugnisse des PAG zurückgreifen.
Außerdem muss bei dem Vorliegen eines Gefahrenverdachts zur drohenden Gefahr nach Art. 11 III PAG abgegrenzt werden. Diese Norm soll vor allem Schutzlücken schließen, indem sie zu Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung auch vor dem Eintritt einer konkreten Gefahr ermächtigt. Man kann die drohende Gefahr als Unterkategorie des Gefahrenverdachts erfassen, allerdings ist das Verhältnis beider Rechtskonstrukte zueinander schwierig und lässt sich nicht genau klären. Jedenfalls sind Tatsachen bekannt, diese deuten jedoch nicht zwingend auf eine bevorstehende Rechtsverletzung hin. Kurz: Bei der drohenden Gefahr sind die Anforderungen an die Prognose herabgesenkt, beim Gefahrenverdacht ist eine Prognose mangels ausreichender Anhaltspunkte nicht fundiert möglich.
Konklusion zum Gefahrenverdacht
In der Klausur ist unter den Begriff der Gefahr zu subsumieren und dabei auch die je-desto-Formel heranzuziehen (Je schwerwiegender eine drohende Rechtsgutsverletzung, desto geringere Anforderungen bestehen an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Rechtsgutsverletzung). Dann sind die oben genannten Ansichten darzustellen und der Streit zu entscheiden (vorzugswürdig ist dabei wohl die zweite Ansicht). Kurz könnte auch eine Abgrenzung zur drohenden Gefahr dargestellt werden.