Das EBV und seine Sperrwirkung – Ein Überblick

Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ist wohl das gefürchtetste Thema des Zivilrechts in den ersten Semestern. Der vermeintliche Auslöser hierfür ist sehr wahrscheinlich dessen Sperrwirkung. Das ist Grund genug für mich, dir mit diesem Artikel einen guten Überblick über das System des EBV zu geben. Viel Spaß!

Was ist das EBV überhaupt?

Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) ist in den §§ 987 ff. BGB geregelt. Ausgelöst wird es im Regelfall durch einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB, denn: Wenn der Eigentümer seine Sache nach § 985 BGB vom Besitzer herausverlangen darf, beispielsweise weil eine vorangegangene Übereignung scheiterte, hat der Besitzer im Zweifel zuvor Aufwendungen an der Sache getätigt oder sie gar beschädigt. Nun gibt es – dazu gleich mehr – verschiedene Arten der Besitzer. Alle über einen Kamm zu scheren wirkt unzweckmäßig, weshalb das EBV spezielle Regelungen zu den Ersatzhaftungen bereithält.

Welche Besitzertypen gibt es?

Im absoluten Klausurregelfall wird sich die Übereignung im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs abspielen. Ein EBV entsteht dann, wenn entweder die Sache dem Eigentümer im Sinne des § 935 I BGB abhanden gekommen ist, oder der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs nicht im guten Glauben war, vgl. § 932 II BGB. Der maßgebliche Zeitpunkt dieser Bösgläubigkeit ist hierbei der Erwerb der Sache. Im Unterschied dazu gilt für die Bestimmung der maßgeblichen Besitztypen der Zeitpunkt des anzuknüpfenden Ereignisses: Steht also in Frage, ob der Besitzer Schadensersatz nach den EBV-Regelungen leisten soll, muss zwischen redlichem oder unredlichem Besitzer unterschieden werden. Dabei wird nicht zwangsläufig auf den Zeitpunkt des Eigentumserwerbs abgestellt, sondern viel mehr auf den der schädigenden Handlung.

Der verklagte Besitzer

§ 987 I BGB ist die erste Norm der EBV-Regelungen, die von einem “Besitzer nach Eintritt der Rechtshängigkeit” spricht. Damit ist derjenige Besitzer gemeint, der eine Klage bezüglich der Herausgabe des Gegenstandes zugestellt bekommen hat (§ 261 ZPO). Da er durch Zustellung der Klage zumindest in Betracht ziehen müsste, den Gegenstand wieder herausgeben zu müssen, soll eine strengere Haftung greifen in Bezug auf den Schadensersatz und weniger Ersatzansprüche für getätigte Verwendungen. Konkret bedeutet das:

  • Schadensersatz:
    Der Schadensersatz des verklagten Besitzers richtet sich nach § 989 BGB. Hiernach haftet der verklagte Besitzer ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit für den Schaden, der durch sein Verschulden der Sache widerfährt.
  • Nutzungsersatz:
    Gemäß § 987 I ist der Besitzer – wieder – ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zum Einen zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen verpflichtet. Zum Anderen auch zum Ersatz der Nutzungen, die er mit Verschulden nicht gezogen hat, aber gemäß einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätte ziehen können.
  • Verwendungsersatz:
    Der verklagte Besitzer bekommt nach § 994 II BGB nur notwendige Verwendungen ersetzt. Die Ersatzpflicht richtet sich hierbei nach den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Dabei handelt es sich nach wohl herrschender Meinung um eine partielle Rechtsgrundverweisung. Ein Fremdgeschäftsführungswille muss nicht vorliegen, da dieser in derartiger Konstellation regelmäßig fehlt.

Der bösgläubige Besitzer

Der bösgläubige Besitzer wusste entweder bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der Sache, oder erfuhr später von seiner nicht vorhandenen Eigentümerstellung. Auch hier ist aufgrund seiner Kenntnis eine geringere Schutzwürdigkeit anzunehmen.

  • Schadensersatz:
    Der bösgläubige Besitzer haftet, ab dem Zeitpunkt der Bösgläubigkeit, nach den §§ 990 I, 989 BGB für von ihm verschuldete Schäden. Weiterhin haftet er nach § 990 II BGB auch für Verzugsschäden nach den allgemeinen Regelungen (§§ 286 f. BGB).
  • Nutzungsersatz:
    Auch ist er ab dem Zeitpunkt der Bösgläubigkeit zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen verpflichtet. Weiterhin – wie auch der verklagte Besitzer – muss er Schadensersatz leisten für verschuldet nicht gezogene Nutzungen. Zumindest wenn sie bei ordnungsgemäßer Wirtschaft gezogen hätten werden können.
  • Verwendungsersatz:
    Erneut vergleichbar mit dem verklagten Besitzer. Nach § 994 II BGB hat der bösgläubige Besitzer einen Anspruch auf Verwendungsersatz über die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Auch hier handelt es sich um eine partielle Rechtsgrundverweisung. Der Besitzer muss zum Zeitpunkt der Verwendung bösgläubig gewesen sein.

Der redliche Besitzer

Kommen wir zu demjenigen, den das EBV in erster Linie schützen möchte: Den Besitzer, der fest davon ausging, dass er berechtigterweise besitzt oder gar Eigentümer geworden ist. Folglich gutgläubig und unverklagt ist. Ein solcher Besitzer geht unter Umständen ganz anders mit Gegenständen um. Und das ja auch zu Recht! So sieht das zumindest das BGB, indem es den sogenannten redlichen Besitzer in vielerlei Hinsicht privilegiert. Schauen wir uns das mal im Detail an:

  • Schadensersatz:
    Der – im Zeitpunkt der Schädigung – redliche Besitzer haftet gemäß § 993 I a.E. BGB nicht für Schäden, die an der Sache eingetreten sind. Weder nach dem EBV, noch – im Grundsatz – nach anderen Vorschriften, aufgrund der Sperrwirkung des EBVs. Dazu weiter unten mehr.
  • Nutzungsersatz:
    Der redliche Besitzer muss darüber hinaus auch nur die Früchte herausgeben, die nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind. Anderweitige Nutzungen hat er nicht zu ersetzen, vgl. § 993 I BGB.
  • Verwendungsersatz:
    Weiterhin kann der redliche Besitzer vom Eigentümer Ersatz für getätigte Verwendungen verlangen. Für notwendige Verwendungen erfolgt dies über § 994 I BGB. Dort findet sich jedoch ein Ausschluss eines Ersatzes der gewöhnlichen Erhaltungskosten für die Zeit der Nutzung.
    Nach § 996 BGB kann der redliche Besitzer auch nützliche Verwendungen ersetzt verlangen, solange diese noch im Zeitpunkt der Wiedererlangung des Eigentümers den Wert der Sache gesteigert haben.

Der deliktische Besitzer

Wer sich durch eine verbotene Eigenmacht oder durch eine Straftat den Besitz an der Sache verschafft, gilt grundsätzlich als deliktischer Besitzer im Sinne des § 992 BGB. Bereits im Tatbestand des § 992 BGB befinden sich einige wichtige Probleme, wie beispielsweise die Frage nach der Notwendigkeit eines Verschuldens. Das würde an dieser Stelle jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen, weshalb ich dich hier auf die entsprechenden Beiträge verweisen möchte.
Im Kontrast zum eben besprochenen redlichen Besitzer ist der deliktische Besitzer selbstverständlich weniger schutzwürdig. Dies zeigt sich durch die Regelung des § 992 BGB, welche eine Haftung über die Vorschriften des Deliktsrechts ermöglicht. Weiterhin wird der deliktische Besitzer auch regelmäßig bösgläubig hinsichtlich der Besitzstellung sein. Hier greifen mithin die oben besprochenen Normen.

Der unentgeltliche Besitzer

Ein Besitzer, der die Sache unentgeltlich besitzt, ist grundsätzlich etwas weniger schutzwürdig, als jemand der Geld gezahlt hat. Dennoch lässt sich der unentgeltliche Besitzer auch stets einer der zuvor genannten Gruppen zuordnen. Dazu kommt lediglich, dass er Nutzungen, die er vor den oben genannten maßgeblichen Zeitpunkten gezogen hat, über die Regelungen der ungerechtfertigten Bereicherung herausgaben muss (§ 988 BGB).

Was sperrt das EBV?

Wir gelangen nun langsam in immer umstrittenere Gebiete. Gedanklich kannst du dir hier also neben vielen Punkten ein “(str.)” denken. Das Nachstehende sollte dir dennoch eine solide Grundlage geben. Sobald du das System verstanden hast, kannst du selbstredend in abstrakt theoretische Probleme einsteigen.

Die Regelungen des EBVs sind speziell und fast(!) abschließend. Sollte folglich ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vorliegen, sind weitergehende Haftungen, außer in den ausdrücklich erwähnten Fällen (deliktischer Besitzer) ausgeschlossen.

Es genügt, dass ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vorliegt. Es muss sich nicht zwangsläufig auch eine Anspruchsnorm als einschlägig erwiesen haben!

Wichtig!

Sinn des Ausschlusses weitergehender Haftungen ist in erster Linie der Schutz des redlichen Besitzers. Wie oben bereits festgestellt, haftet dieser nach dem EBV nicht für Schäden, die an der Sache entstanden sind. Jetzt würden sich die Regelungen des EBV doch als sehr nutzlos erweisen, wenn er dann einfach über das Deliktsrecht in Haftung genommen werden kann. Und genau deshalb sperrt § 993 I a.E. BGB diese möglichen Ansprüche.

Diese Sperrwirkung erstreckt sich jedoch nach dem Wortlaut des § 993 I a.E. BGB nur auf Schadens- und Nutzungsersatz. Mithin bleibt wohl noch Raum um eine Herausgabe der Sache über die §§ 823 I, 249 I BGB zu verlangen. Auch ein Wertersatz über das Bereicherungsrecht kann in Betracht kommen.

Nennenswerte Sonderfälle

Grundsätzlich werden von dieser Sperrwirkung auch der bösgläubige oder verklagte Besitzer umfasst. Es gibt jedoch Konstellationen, die einem bewusst sein sollten. So liegt grundsätzlich kein EBV im Sinne der §§ 987 ff. BGB vor, wenn der Besitzer ein Recht zum Besitz hat gemäß § 986 BGB. Ein solches Recht kann aus den gewöhnlichen vertraglichen Ansprüchen entspringen, oder aber eben auch aus gesetzlichen Schuldverhältnissen. So zum Beispiel aus einer echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Hier wird eine Sperrwirkung des EBVs verneint.

Auch stellt der sogenannte Fremdbesitzerexzess eine Ausnahme dar. Dieser liegt vor, wenn der Besitzer seine Rechte, die er in Anbetracht der vermeintlichen Rechtslage hätte, überstrapaziert. Wenn also beispielsweise der vermeintliche Mieter absichtlich die Mietsache zerstört, erscheint es ungerecht, ihm keine weitergreifende Haftung aufzubürden. Nach den oben genannten Grundsätzen wäre dieser nämlich – die Gutgläubigkeit sei unterstellt – nicht in Anspruch zu nehmen bezüglich des Schadens.

Hätte es bei Vertragsschluss und Übereignung in diesem Beispiel jedoch keine Probleme gegeben, hätte der rechtmäßig besitzende Mieter hier sehr wohl Schadensersatz leisten müssen. Man würde folglich den unberechtigten, redlichen Besitzer gegenüber dem rechtmäßigen Besitzer privilegieren. Die meiner Meinung nach vorzugswürdige Ansicht, löst dieses Problem über eine teleologische Reduktion des § 993 I a.E. BGB und lässt mithin einen Durchgriff auf § 823 BGB zu.

Auch finden Normen, die den arglistigen Besitzer sanktionieren grundsätzlich neben dem EBV Anwendung. So beispielsweise § 826 BGB oder auch die angemaßte Eigengeschäftsführung.

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