Ein tragischer Fall, über den der BGH am 14.03.1989 entscheiden musste. Dabei geht es um eine grundsätzliche Klarstellung, wo die Grenzen eines rechtswidrigen Angriffes im Rahmen der Notwehr gem. § 32 StGB liegen und wie diese im Verhältnis zum Notstand nach § 34 StGB steht.
Zunächst aber, wie gewohnt, das Wesentliche aus dem Sachverhalt:
Der „nach Landstreicherart“ herumziehende Angeklagte A nächtigte unerlaubt in der Scheune der Eheleute J. Zugedeckt mit Heu, entzündete A am nächsten Morgen sein Feuerzeug, um auf seiner Armbanduhr nach der Zeit zu sehen. Dabei entflammte das sich auf ihm befindliche Heu, sowie seine getragene Kleidung. In Angst um sein Leben, kletterte A hinunter ins Erdgeschoss der Scheune und versuchte nach draußen zu gelangen. Auf dem Weg dorthin lief er Frau R, dem späteren Opfer O, in die Arme, welche gerade dabei war mit einer Heugabel Heu zu holen. Erschrocken und immer noch in Angst um sein Leben, versuchte A an O vorbei ins Freie zu gelangen. O jedoch blieb in dem einzigen, engen Gang nach draußen mit erhobener Heugabel stehen und verstellte so den einzigen Weg nach draußen.
Aus Angst zu verbrennen, entriss der Angeklagte der O die Heugabel, schlug zweimal mit dem Stiel auf sie ein und schubste sie innerhalb eines kurzen Handgemenges vermutlich in einen Futterbarn. A zog draußen direkt seine brennende Kleidung aus und suchte eine Abkühlung in einer nahe gelegenen Wasserstelle. Er zog sich letztlich Verbrennungen 1. bis 3. Grades zu. Er dachte jedoch nicht daran, die O aus der Scheune zu retten, bzw. den Vorfall herbeieilenden Dorfbewohnern mitzuteilen.
Während der Aufräumarbeiten der abgebrannten Scheune fand man schließlich die verbrannte O. Fest steht, dass O bereits tot gewesen war, als die Scheune in lodernden Flammen stand. Unklar ist, ob das Opfer bereits durch den Kampf oder durch einen Brandschock ohnmächtig wurde beziehungsweise verstorben war.
BGH, Urteil vom 14.03.1989 , Az.: 1 StR 25/89
Es gab im Rahmen dieses Urteils einige interessante, teilweise auch mittlerweile veraltete, Probleme im Zusammenhang mit der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Brandstiftung mit Todesfolge. Außerdem beging das Landgericht mehrere Verfahrens- und Aufklärungsfehler, weshalb der BGH das Urteil aufhob und zu erneuten Verhandlungen zurück verwies.
Ein rechtswidriger Angriff im Rahmen der Notwehr?
Aber der BGH gab uns dennoch eine interessante Anregung mit. So sah das Landgericht in dem Stehenbleiben der R im schmalen Gang eine objektive Notwehrlage, folglich einen rechtswidrigen Angriff auf das Rechtsgut des Lebens des Angeklagten. Jedoch musste es dem A, so der BGH, um das Ausziehen und Löschen der Kleider gehen. Nicht um ein hinausbegeben aus der Scheune. Sollte ein Löschen innerhalb der Scheune wiederum nicht möglich gewesen sein, läge bei bloßem Stehenbleiben immer noch kein Angriff vor. So müsste der Angeklagte die Frau zunächst bitten, ihn zu löschen oder zur Seite zu gehen. Erst wenn sie sich weigern würde, könnte man von einem Angriff ausgehen.
Das Interessante dabei ist, dass der BGH somit nicht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auf mildere Mittel verweist, sondern bereits das Vorliegen einer Notwehrlage ablehnt. Die Notwehrlage wird darüberhinaus aber auch deshalb abgelehnt, weil, selbst wenn ein Angriff vorliegt, es an dessen Rechtswidrigkeit fehle. So war der Angeklagte rechtswidrig in die Scheune eingedrungen, woraus grundsätzlich für O ein Festnahmerecht entsteht. Dies hätte sie durch ein Einsperren durch Stehenbleiben wahrnehmen können.
Fehlt es an der Rechtswidrigkeit des Angriffes, kommt nur noch eine Notstandslage in Betracht. Was unter anderem ein Abgrenzungsmerkmal des § 34 StGB zu § 32 StGB darstellt. Merken. Über diese Notstandsprüfung hatte dann das Landgericht erneut zu entscheiden. Der BGH lies jedoch bereits anklingen, dass hierbei ein hohes Augenmerk auf die Erforderlichkeit bzw. Angemessenheit des Mittels gelegt werden muss.