Nicht alles was wir Menschen machen funktioniert auch immer auf Anhieb. Da erscheint es nur logisch, dass wir auch im Strafrecht die zwar versuchten, jedoch nicht beendeten, Straftaten bestrafen wollen. Denn: Auch in missglückten Straftaten steckt eine Menge kriminelle Energie, die vor Gericht auch berücksichtigt werden sollte. Und genau darum kümmern wir uns mit dem Schema des Versuchsdelikts.
Das Schema
Wenn du in einer Klausur eine versuchte Straftat prüfen sollst, wird dir das Schema für das vorsätzliche Begehungsdelikt nicht viel helfen. Wie oben bereits erwähnt, wird der Täter hier für seine kriminellen Absichten bestraft, folglich kommt bei der Prüfung auch zuerst das subjektive Element, und dann das objektive und das sieht dann folgendermaßen aus:
I. Vorprüfung
1. Nicht vollendet
2. Versuchsstrafbarkeit
II. Tatentschluss
III. Unmittelbares Ansetzen
IV. Rechtswidrigkeit
V. Schuld
VI. Rücktritt
Das Schema ist eine super Grundlage. Besonders beim Versuch lauern jedoch jede Menge Probleme und versteckte Gemeinheiten auf dich, folglich lohnt sich ein genauerer Blick.
I. Vorprüfung
Nach Name und Datum wohl der entspannteste Teil deiner Klausur. Hier willst du einfach nur feststellen, ob eine Versuchsprüfung überhaupt in Betracht kommt. Du kannst die Vorprüfung schriftlich festhalten, in späteren Semestern kannst du aber auch einfach ihre Ergebnisse im Obersatz bringen.
1. Nicht vollendet
Logisch. Wenn du eine versuchte Straftat prüfen möchtest, solltest du sicherstellen, dass die Straftat auch wirklich nur versucht und nicht etwa beendet wurde. Bevor du den Versuch prüfst, solltest du immer zuerst vorher das Erfolgsdelikt prüfen. Fällst du dort bei irgendeinem objektiven Tatbestandsmerkmal raus, ist dieser Prüfungspunkt erfüllt.
Ebenso kann sich eine Versuchsprüfung nach einer Aberratio Ictus anschließen.
2. Versuchsstrafbarkeit
Auch klar. Wenn du jemanden für eine versuchte Straftat bestrafen möchtest, sollte der Versuch der Straftat auch strafbar sein. Bei vielen Normen steht es direkt mit dabei, so etwa bei Diebstahl §242 II StGB (reinschauen!).
Sollte es mal nicht dabei stehen, bedienst du dich eines kleinen Tricks. Schaue dir dazu mal den §23 I StGB an. Da steht, dass der Versuch von Verbrechen stets strafbar ist, der von Vergehen nur dann, wenn es eben mit dabei steht.
Was der Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen ist? Das Strafmaß. Hierfür lohnt sich noch ein weiterer Blick auf §12 I StGB.
“Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.”
§212 I StGB zum Beispiel. Eine Versuchsstrafbarkeit ist nicht direkt angegeben, aber die Mindeststrafe sind 5 Jahre, demnach ist Totschlag ein Verbrechen und somit auch der Versuch strafbar.
In den Obersatz deiner Klausur würdest du dann folgende Paragraphen – Kette schreiben: §§212 I, 23 I, 12 I StGB.
Alles klar?
II. Tatentschluss
Ein Tatentschluss liegt vor, wenn der Täter sich bezüglich des Obs und Wies der Tat festgelegt hat. Dazu kommen noch deliktspezifische subjektive Tatbestandsmerkmale, wie zum Beispiel die Zueignungsabsicht beim Diebstahl §242 StGB.
“Tatentschluss hat, wer Vorsatz bezüglich aller Tatbestandsmerkmale, als auch, falls vorhanden, deliktspezifische subjektive Tatbestandsmerkmale aufweist.”
Entscheidend ist hierbei alleinig die Vorstellung des Täters, nicht was er letztendlich erreicht hat oder objektiv möglich war.
Abzugrenzen ist der Tatentschluss von einer bloßen Tatgeneigtheit.
Hier kann der Täter bereits einen Tatplan gefasst haben, hat aber noch einen inneren Konflikt darüber, ob er die Tat überhaupt ausführen möchte.
Beispiel: A ist wütend auf seinen Erzfeind B. Er nimmt einen Baseballschläger und läuft zur Wohnung des B. Dort möchte er, wenn er den Mut dazu aufbringt, B damit verprügeln.
Die Entscheidung, ob A die Tat letztendlich ausführen wird, hängt nur von A selbst ab. Er ist also zur Tat geneigt, aber ist sich noch nicht sicher, ob er sie wirklich verüben möchte. In Fällen der bloßen Tatgeneigtheit ist ein Tatentschluss zu verneinen und somit keine Versuchsstrafbarkeit gegeben.
Anders verhält sich das bei dem sogenannten bedingten Handlungswillen. Hier möchte der Täter die Straftat begehen, macht jedoch an äußeren Umständen fest, ob er die Tat ausführen wird.
Beispiel: Wieder ist A wütend auf seinen Erzfeind B. Er nimmt einen Baseballschläger und geht fest entschlossen zur Wohnung des B um ihn zu verprügeln. Er ist sich diesmal auch sicher, dass er den Mut dazu aufbringen wird. Falls jedoch auch die Mutter des B anwesend ist, möchte er von dem Verprügeln absehen.
Hier hat A einen Tatentschluss gefasst, der nur noch von äußeren Umständen geändert werden kann.
Bei Fällen des bedingten Handlungswillen ist der Tatentschluss zu bejahen.
Im Rahmen des Tatentschlusses ist auch auf Sonderfälle wie dem Wahndelikt, abergläubischen Versuchen und Ähnlichen einzugehen. Die Sonderfälle im Detail findest du /hier/.
III. Unmittelbares Ansetzen
Das unmittelbare Ansetzen bildet häufig den Schwerpunkt von Versuchsprüfungen. Hier musst du dir überlegen, ab welchem Zeitpunkt der Täter eine Straftat begeht bzw. bis zu welchem Zeitpunkt er lediglich straflose Vorbereitungshandlungen tätigt.
In den meisten Fällen genügt hier die sogenannte Zwischenaktstheorie:
“Der Täter setzt dann unmittelbar an, wenn er subjektiv die Schwelle zum “jetzt geht es los” überschreitet und objektiv zu einer Handlung ansetzt, die ohne weitere nennenswerte Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung mündet.”
Unproblematisch sind hierbei besonders die Fälle, in denen der Täter bereits zur die Tathandlung ausgeführt hat.
Beispiel: A schießt auf B mit Tötungsabsicht und trifft ihn an der Schulter. B überlebt.
Zweifelsfrei hat A hier unmittelbar angesetzt.
Solltest du jedoch in der Klausur mit dieser Theorie mal nicht weiterkommen, kannst du die Zwischenaktstheorie noch um zwei weitere Theorien ergänzen, um so zu einer Entscheidung zu gelangen.
Nach der sogenannten Gefährdungstheorie setzt der Täter dann unmittelbar an, wenn nach seiner Vorstellung das geschützte Rechtsgut bereits konkret gefährdet ist.
Und nach der sogenannten Sphärentheorie setzt der Täter dann unmittelbar an, wenn er die Sphäre des Opfers berührt. Dies kann durch das Betätigen der Klingel sein, wenn A nach öffnen der Türe auf B einschlagen möchte. Dies ist aber auch gegeben, wenn der Dieb D die Leiter ans Haus des F anlehnt, um damit über den Balkon ins Haus zu gelangen.
Die verschiedenen Theorien im Detail mit Beispielen findest du /hier/.
IV. / V. Rechtswidrigkeit / Schuld
Ohne Besonderheiten, vergleiche hierzu den Aufbau des vorsätzlichen Begehungsdelikt.
VI. Rücktritt gemäß §24 I StGB
Solltest du feststellen, dass sich der Täter des Versuchs einer Straftat strafbar gemacht hat, musst du zwingend noch prüfen, ob er letztendlich nicht doch noch zurückgetreten ist. Denn es besteht die Möglichkeit, dass dem Täter straffreiheit gewährt wird, wenn er erfolgreich zurückgetreten ist.
Wie du herausfindest, ob der Rücktritt erfolgreich war, aber auch warum es überhaupt so etwas wie den Rücktritt gibt, erfährst du hier.
Damit solltest du einen guten Überblick über den Aufbau einer Versuchsprüfung haben. Vergiss nicht, die Artikel zu den Problemfällen anzuschauen, um bestens gewappnet zu sein für die nächste Klausur.