In letzter Zeit gelangen immer häufiger Fälle über das sogenannte Containern vor die deutschen Strafgerichte. Unter dem Containern oder dem umgangssprachlich bezeichneten Mülltauchen versteht sich regelmäßig das Entwenden von durch die Supermärkte weggeworfenen Lebensmitteln. Was auf den ersten Blick als harm- und schadlose Tätigkeit anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als einschlägiger Straftatbestand mit interessanten Problemkreisen.
Diebstahl gem. § 242 I StGB
Als der relevanteste einschlägige Straftatbestand geriert sich hierbei der Diebstahl nach § 242 I StGB. Interessant wird der Sonderfall des Containerns insbesondere bei dem Tatbestandsmerkmal der fremden, beweglichen Sache.
Unzweifelhaft handelt es sich bei abgelaufenen und entsorgten Lebensmitteln um bewegliche Sachen. Fraglich ist jedoch, ob diese denn auch fremd sind. So gilt eine Sache dann als fremd, wenn sie weder im Alleineigentum des Täters steht, noch herrenlos oder eigentumsunfähig ist. Die Lebensmittel sind zunächst unproblematisch weder im Alleineigentum des Täters, noch eigentumsunfähig.
Sie könnten jedoch herrenlos sein. Herrenlos könnten die Lebensmittel hier durch Eigentums- und Besitzaufgabe des Ladeninhabers geworden sein. Eine solche Derelektion liegt nach § 959 BGB dann vor, wenn der Eigentümer den Besitz aufgibt (1), mit der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten (2).
1. Besitzaufgabe
Jedoch ist bereits schon die Besitzaufgabe fraglich. Regelmäßig werden Lebensmittel in Container auf dem Grundstück des Lebensmittelmarktes entsorgt. In einem meist verschlossenen Behältnis befindliche Lebensmittel auf dem Grundstück des Eigentümers können hierbei wohl nach gesellschaftlicher Anschauung noch seinem Besitz zugeordnet werden. In der Klausur könnte man an diesem Punkt also schon getrost die Fremdheit der Lebensmittel bejahen. Das wahre Schmankerl kommt aber erst noch im nächsten Punkt!
2. Absicht, auf das Eigentum zu verzichten
Gehen wir mal davon aus, dass der Eigentümer den Besitz an den Lebensmitteln aufgegeben hat. Dann müsste in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob er zur Zeit der Besitzaufgabe auch die Absicht hatte, auf das Eigentum zu verzichten. Nach Ansicht des BayObLG München vom 02.10.2019 ist dann kein zur Herrenlosigkeit einer Sache führende Verzichtswille vorliegend, wenn der Eigentümer die Sache nur in Bezug auf eine andere Person aufgeben will. Anders ausgedrückt handelt es sich bei den typischen Containerfällen deshalb um fremdes und nicht herrenloses Eigentum, weil das Eigentum nicht in Bezug zur Allgemeinheit freigegeben wurde, sondern nur hinsichtlich der zur Abholung bestellten Person.
Die Fremdheit der Lebensmittel im Sinne des § 242 I StGB ist folglich zu bejahen, und eine Strafbarkeit wegen Diebstahls möglich. Zu beachten bleibt hier jedoch der wohl regelmäßig notwendige Strafantrag beim Diebstahl geringwertiger Sachen nach § 248a StGB.
Weitere Tatbestände
Nebensächlich, aber dennoch erwähnenswert, sind noch die weiteren unter Umständen einschlägigen Straftatbestände. So kommt bei gesicherten Containern nach Öffnung auch eine Sachbeschädigung gem. § 303 StGB hinsichtlich des Sicherungsmechanismus in Betracht, sowie ein Hausfriedensbruch nach § 123 StGB, falls sich der Container auf dem Grundstück des Lebensmittelmarktes befindet.
Angedacht kann auch die Qualifikation des Diebstahls nach § 243 I Nr. 2 StGB werden. Fraglich dürfte hier insbesondere sein, inwiefern die Schutzvorrichtung explizit vor einer Wegnahme schützen, oder nicht viel mehr einfach vor den Folgen eines umgekippten Containers bewahren soll. Ebenfalls müsste hier § 243 II StGB beachtet werden, da abgelaufene Lebensmittel regelmäßig keinen ausreichenden finanziellen Wert mehr innehaben dürften.
Abschließende Anmerkungen zum Containern
Rechtspolitisch ist beim reinen Containern ohne etwaige Verwirklichung weiterer Straftatbestände wohl auf eine milde Strafe zu verweisen. So stellt übermäßiges Entsorgen noch verzehrbarer Lebensmittel in Anbetracht der pandemie-bedingten Armut und des voranschreitenden Klimawandels mehr einen Fehler im System, als das Containern eine rechts- und geselleschaftswidrige Handlung seitens der Entwender dar.
Freilich sind insofern aber auch die positiven Maßnahmen vieler Ladenbesitzer zu würdigen, welche die abgelaufenen aber noch verzehrbaren Lebensmittel nicht mehr entsorgen, sondern gegen keines oder nur geringes Entgelt an Bedürftige vergeben.