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Die Korrektur des Rücktrittshorizonts

Korrektur des Rücktsittshorizonts

Hier werde ich jetzt mal etwas nostalgisch. So war es doch genau dieses Thema, das mir vor einigen Semestern die Faszination an Jura beschert hat, die bis heute noch andauert. Das spannende an diesem Thema: Es dreht sich hier um ein Konstrukt, welches die Strafbarkeit eines Täters von Lebenslänglich auf Freispruch ändern kann. Das ganze geht jedoch auch in die andere Richtung. Ich hatte damals die Ehre, eine Arbeit über die Korrektur des Rücktrittshorizonts zu verfassen. Keine Angst, du wirst hier selbstverständlich nur die für dich relevanten Punkte finden. Aber ich wollte die Chance nutzen, um ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen.

Genug davon jetzt, legen wir los.

Die Korrektur des Rücktrittshorizonts spielt eine zentrale Rolle bei der Frage, ob der Versuch bereits beendet oder noch unbeendet ist. Relevant ist dies vor allem deshalb, weil je nach Versuchsstadium unterschiedliche Anforderungen an den Rücktritt des Täters gestellt werden.

Kurze Wiederholung: Ist der Versuch unbeendet, so genügt es für einen Rücktritt nach §24 I 1 Alt. 1 StGB, wenn der Täter die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Im Falle eines bereits beendeten Versuchs, muss der Täter nach §24 I 1 Alt. 2 StGB die Vollendung der Tat verhindern, um wirksam zurückzutreten.

Die Beurteilung des Versuchsstadiums richtet sich nach der subjektiven Einschätzung des Täters unmittelbar nach der letzten Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont.

Mit einem Beispiel wird es etwas deutlicher: A schießt mit Tötungsabsicht auf B. Dieser wird getroffen, sackt zusammen und bleibt liegen. In diesem Moment ist sich A sicher, dass B an der Verletzung sterben wird (Rücktrittshorizont: Beendeter Versuch). Plötzlich steht B jedoch verletzt auf und rennt weg.

Der BGH lässt, insbesondere in Fällen, in denen sich das Opfer noch vom Tatort entfernen kann, eine Korrektur des Rücktrittshorizonts zu. Im oberen Beispiel bedeutet das konkret, dass der Rücktrittshorizont des A in dem Moment, in dem B aufstand und wegrannte, von “beendet” auf “unbeendet” korrigiert wurde. Denn A erkannte zu diesem Zeitpunkt, dass der Erfolg eventuell doch noch nicht sicher eintreten werde.

Mit der Folge, dass A vom Versuch zurücktreten kann, einfach in dem er weitere Tathandlungen unterlässt.

Wenn also B den Angriff überlebt und A keine weiteren Tathandlungen unternommen hätte, wäre er erfolgreich vom Tötungsversuch zurückgetreten und wäre, zumindest im Hinblick auf die versuchte Tötung, straffrei.

Ein sehr interessantes Urteil des BGH in diesem Zusammenhang findest du hier.

Wie vorneweg bereits angekündigt, kann natürlich auch in die andere Richtung korrigiert werden.

Wenn A im oberen Beispiel sieht, dass B, nachdem er einige Meter gerannt ist, doch zusammensackt und regungslos liegen bleibt, korrigiert sich der Rücktrittshorizont von “unbeendet” wieder zurück zu “beendet”. Lies den vorherigen Satz am besten nochmal, das ist quasi die Kernessenz.

Die Konsequenz dieser Korrektur ist dann, dass A, um erfolgreich zurückzutreten, den Erfolgseintritt verhindern müsste.

Die Korrektur des Rücktrittshorizonts stößt auf sehr viel Kritik in der Literatur. Insbesondere in Grenzfällen, in denen der BGH nicht ein Weglaufen des Opfers als Indikator eines unbeendeten Versuchs ansieht, sondern sogar die Hilferufe eines am Boden Liegenden genügen lässt. Dazu aber dann mehr im Rahmen meiner Urteilsbesprechungen.
In Klausuren, die als Schwerpunkt die Versuchsstrafbarkeit haben, ist die Korrektur des Rücktrittshorizonts ein durchaus relevantes Thema, das bei Gelegenheit unbedingt angesprochen werden sollte. Unerlässlich dafür ist das Beherrschen der verschiedenen Versuchsstadien. Worauf wartest du also?

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