Ein weiterer Strafrechtsklassiker erwartet dich im heutigen Artikel! Es geht heute um den sogenannten Katzenkönig-Fall. Am besten steigen wir direkt in den Sachverhalt ein und werfen dann einen Blick auf die Entscheidung des BGH:
“Die Drei Angeklagten lebten in einem “neurotischen Beziehungsgeflecht”, welches geprägt war von mystischen Riten und Irrglauben. Die H und der P waren dabei in einer Beziehung, während R in die H verliebt und wohl unter anderem auch deshalb sehr leicht beeinflussbar war. Als H und P dies erkannten, nutzten sie R immer wieder aus, machten “Mutproben” mit ihm in Form von mystischen Kulthandlungen und Hypnosen, im Rahmen derer sie ihm von der Existenz des erfundenen “Katzenkönigs” überzeugten. Als H Mitte des Jahres 1986 erfuhr, dass ihr früherer Freund das spätere Opfer O heiraten wollte, beschloss sie, in stillem Einverständnis mit P, O durch R töten zu lassen. Hierfür erzählten sie ihm, dass der Katzenkönig, aufgrund der zahlreichen Fehler des R, ein Menschenopfer in Form der O fordere. Sollte dieser Forderung nicht genüge getan werden, werde der Katzenkönig Millionen von Menschen töten. Nachdem R vergeblich nach einem Ausweg suchte, musste er “unter Berufung auf Jesus”, der H schwören die O zu töten.
Am 30. Juli 1986 suchte er schließlich die O in ihrem Blumenladen auf. Als er die passende Gelegenheit erkannte, rammte er ihr in Tötungsabsicht ein Fahrtenmesser hinterrücks in den Hals und anschließend noch in ihr Gesicht und in ihren Körper. Als weitere Personen der wehrlosen O zur Hilfe kamen, ergriff R die Flucht, in dem Glauben, dass O sterben würde. O überlebte aber den Angriff.”
BGH, Urteil vom 15.09.1988, 4 StR 352/88
Ziemlich einleuchtend sollte sein, dass sich R hier wegen versuchten Mordes strafbar gemacht hat. §20 StGB schied, trotz seiner eindeutigen naiven Neigung, aus. In Betracht kam dagegen ein umgekehrter Verbotsirrtum: R dachte, dass das Menschenopfer notwendig war um die Menschheit zu retten, jedoch überschritt er damit irrtümlich die Grenzen des §34 StGB. Aber diesen Irrtum lehnte der BGH, wie auch die vorinstanzlichen Gerichte, ab, mit der Begründung, dass dieser Irrtum vermeidbar war.
Jetzt aber zum eigentlichen Schmankerl und damit zum Urteil des BGH über H und P. Diese Entscheidung war wohl, neben der eindeutigen Kuriosität des Sachverhalts, ausschlaggebend dafür, dass dieser Fall zu einem absoluten Strafrechtsklassiker wurde.
Zunächst noch kurz die Basics: Für eine mittelbare Täterschaft (§25 I Alt. 2 StGB) wird grundsätzlich ein Strafbarkeitsdefizit des Vordermannes (hier des R) vorausgesetzt. Sollte dies nicht vorliegen und der Vordermann also voll strafbar handeln, kam nach der damals herrschenden Meinung (Lehre vom Verantwortungsprinzip) nur noch eine Anstiftung in Frage. Und genau diese Konstellation lag in diesem Fall vor, schließlich wurde unser R als Täter ohne Defizit verurteilt.
Der BGH sah hier nun aber einen Sonderfall in Form des Täters hinter dem Täter. So bejahte er trotz der vollen Strafbarkeit des R, bei H und P einen versuchten Mord in mittelbarer Täterschaft. Und begründete es hauptsächlich damit, dass die Vermeidbarkeit des Irrtums alleine kein taugliches Abgrenzungskriterium darstellt. (Generell gilt, dass ein vermeidbarer Irrtum kein Grund für ein Defizit des Vordermanns ist, hingegen sorgt ein unvermeidbarer Irrtum für eines.) Dass der Vordermann Kenntnisse hätte haben können, die er im konkreten Fall nunmal nicht hatte, ändert nichts an der Tatherrschaft des Hintermannes, welcher ihm die Notwendigkeit und damit Erlaubtheit der Tat vorspiegelt. Weiterhin raubt die Vermeidbarkeit des Irrtums auch keine Werkzeugqualität des Vordermannes.
Der BGH widersprach hier folglich der damals herrschenden Meinung und stellte sowohl bei H, als auch bei P eine Tatherrschaft und mithin eine Täterschaft fest.
Für deine nächste Klausur fasste der BGH selbst sogar den Kern des Urteils zusammen: “In Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums des Vordermannes als dem unmittelbar Handelnden ist deshalb bei der Prüfung, ob der Hintermann mittelbarer Täter ist, auf das Kriterium der vom Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft abzustellen.”
Auch führt er noch aus, dass es für ihr Vorliegen keine fixen Regeln gibt, sondern sie im Einzelfall ermittelt werden muss. Einen Beispielsfall kennst du jetzt aber schonmal, der dir wohl bei der Orientierung helfen wird.
Zum Abschluss könntest du dir nochmal das wichtigste zum Omnimodo Facturus durchlesen, damit du dort bei der nächsten Klausur ordentlich Punkte sammeln kannst! 🙂