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Die invitatio ad offerendum

die invitatio ad offerendum

Ladenbesitzer L stellt in seinem Schaufenster das Samuraischwert eines hochwohlgeborenen japanischen Generals aus. Ein absolutes Unikat, mit einem Wert von 250.000€. Die zwei Jurastudenten J und Jotter sehen das Schwert, kennen aufgrund der Ausstellung im Schaufenster alle essentialia negotii, stürmen in den Laden und brüllen gleichzeitig: “Ja, ich nehme das Schwert!”

Hier drängt sich jetzt eine spannende Frage auf: Mit wem hat L nun einen Vertrag geschlossen? Beziehungsweise, kam überhaupt ein Vertrag zustande?

Grundsätzlich benötigt man für einen Vertrag ja zwei übereinstimmende Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme nach den §§ 145, 147 BGB. 

Ein Angebot sollte hierbei derart ausgestaltet sein, dass es mit einem einfachen “ja” angenommen werden kann. Eine solche Annahme haben wir also gleich zweifach in unserem Sachverhalt.

Fraglich ist hingegen, ob denn auch ein wirksames Angebot vorliegt. 

Zum einen hat solch ein Angebot die essentialia negotii zu enthalten. Auch das ist problemlos gegeben, steht es doch sogar explizit im Sachverhalt.

Außerdem hätte L durch das Ausstellen des Schwertes in seinem Schaufenster auch rechtlich bindend tätig werden wollen. Wollte er folglich mit jedem, der seinen Laden betritt und “ja” sagt, auch einen Kaufvertrag über dieses – wohlgemerkt – Unikat abschließen? Oder liegt hier vielleicht eine bloße invitatio ad offerendum vor?

Die invitatio ad offerendum

Einer der Momente im Jurastudium, in dem einem Lateinkenntnisse wirklich von großem Nutzen sein können. Übersetzt man den Begriff der invitatio ad offerendum, kommt man etwa auf “Einladung zum Angebot”. Sie stellt mithin lediglich einen Wunsch des Verkäufers dar, dass andere Interessenten doch bitte ein Angebot abgeben sollen. Mithin ist sie selbst also noch kein eigenes Angebot.

Wer also ein vermeintliches Angebot in Form einer invitatio ad offerendum abgibt, der möchte sich rechtlich noch gar nicht bindend verhalten, folglich kein “echtes” Angebot abgeben. Vielmehr möchte er Angebote gemacht bekommen und sich seinen entsprechenden Vertragspartner selbst aussuchen.

Doch warum gibt es dieses Konstrukt?

Die invitatio ad offerendum hat einen relativ simplen und einleuchtenden Sinn: Angenommen, unser L hätte hier keine invitatio ad offerendum, sondern ein wirksames Angebot gemacht. Dann könnte jeder, wie J und Jotter beispielsweise, dieses Angebot annehmen und ein Kaufvertrag wäre entstanden. Jetzt kann L aber lediglich einen der entstandenen Kaufverträge erfüllen, schließlich handelt es sich bei dem Gegenstand ja um ein waschechtes Unikat! Das hat zur Folge, dass dem Käufer, der leer ausgeht, auf einmal Schadensersatzansprüche zustehen. Schadensersatz für entgangenen Gewinn, Ersatzansprüche für getätigte Aufwendungen und vieles mehr.

Die invitatio ad offerendum schützt folglich unseren L. Sie gibt ihm die Möglichkeit, zu zeigen, dass er rechtsgeschäftlich tätig werden möchte, ohne sich dabei bereits in irgendeiner Weise zu verpflichten.

In unserem Fall kam demnach noch kein Vertrag zustande. L lud potentielle Vertragspartner dazu ein, Angebote abzugeben. Sollte klar sein, welches Schwert J und Jotter meinen und darüber hinaus die übrigen essentialia negotii vorliegen, haben sie an dieser Stelle jeweils ein Angebot zum Kauf abgegeben. L kann sich folglich aussuchen, ob er eines dieser Angebot annehmen möchte oder nicht. Der invitatio ad offerendum sei Dank!

Alltägliche Beispiele

Die klassischen Formen, in denen dir eine invitatio ad offerendum täglich und in der Klausur über den Weg laufen wird, sind Zeitungsanzeigen, Mietangebote, Schaufensterausstellungen und viele mehr. Letztlich gilt es immer sich zu überlegen, ob der Verkäufer wirklich mit jedem, der “ja” sagt, einen Vertrag abschließen möchte. Und, vorausgesetzt es handelt sich um eine Anzeige, was er denn genau in das vermeintliche Angebot geschrieben hat.

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