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Die ergänzende Vertragsauslegung

ergänzende Vertragsauslegung

Wie man an der doch recht häufigen Anwendung von Analogien unschwer erkennen kann, war es dem Gesetzgeber nicht möglich, jeden Einzelfall im Vorhinein zu überdenken. So kann man selbstredend auch nicht davon ausgehen, dass zwei Privatpersonen bei einem Vertragsschluss jede mögliche Eventualität einplanen können. Sollte es also mal zu Situationen kommen, bei denen die vertragliche Grundlage keine Lösungen mehr parat hält, kann man, unter Umständen, auf die ergänzende Vertragsauslegung zurückgreifen. Unter welchen Umständen das möglich ist und wie das genau funktioniert, erfährst du jetzt!

Anwendbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung

Klar ist, dass man nicht frei nach Belieben Verträge ergänzend auslegen kann. Benötigt wird nämlich zunächst einmal, ähnlich wie bei einer Analogie, eine Regelungslücke des Vertrags. Das Wörtchen “Lücke” impliziert dabei die Planwidrigkeit der unvollständigen Regelungen. Eine derartige Lücke kann jedoch nicht bei dem bloßen Fehlen einer Regelung angenommen werden, sondern erst dann, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, ohne die eine angemessene, interessengerechte Lösung für die Parteien nicht zu erzielen wäre (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 687 [690]). Der Vertrag müsste ohne die entsprechende Ergänzung darüberhinaus in einem offenbaren Widerspruch mit dem Inhalt des tatsächlich Vereinbarten stehen (vgl. BGH, NJW 1963, 2071 [2075]).

Auch findet eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann Anwendung, wenn die Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht sachgerecht geschlossen werden kann (vgl. BGH, NJW 1988, 450 [451]).

Wie legt man einen Vertrag ergänzend aus?

Wenn also die eben genannten Vorraussetzungen vorliegen, ist eine ergänzende Vertragsauslegung möglich. Aber wie?

Zunächst gilt der, quasi überall im BGB auffindbare, Grundsatz von Treu und Glauben. Auf Basis dessen, ist der hypothetische Parteiwille aller Seiten zu ermitteln, also was die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart hätten, wenn sie von der nun eingetretenen Situation Kenntnis gehabt hätten. Ergibt sich nach interessengerechtem Abwägen der Interessen keine vermittelnde Lösung, ist eine ergänzende Vertragsauslegung im Zweifel gescheitert.

Als hervorragende, höchstrichterliche Lern-Ergänzung empfehle ich dir ein Urteil des BGH, zu finden in der NJW 2012, 844. Viel Spaß!

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