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Beleidigende Gartenzwerge

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Das erste Türchen des Adventskalenders der kuriosen Urteile. Viel Spaß!

Kunst ist ein polarisierendes Thema. Noch polarisierender wird es, wenn man sich fragt, was Kunst alles darf. Zu einem geschichtsträchtigen Gerichtsfall führt dieses Thema aber besonders dann, wenn auch noch Gartenzwerge involviert sind.

Jetzt die lebensnahe Frage: Kann man jemanden mittels Gartenzwerge beleidigen?

Mit genau dieser Frage durfte sich im Jahre 1994 das Amtsgericht Grünstadt beschäftigen. Kurz das Wesentlichste aus dem Sachverhalt:

“Der Kläger (K) und der Beklagte (B) sind Nachbarn. Beide befinden sich seit geraumer Zeit im Streit, was sich gut daran erkennen lässt, dass neben diesem Verfahren auch noch ein weiterer Rechtsstreit wegen einer angeblichen Lärmbelästigung besteht. Zu dieser Zeit stellte B von ihm selbst hergestellte Gartenzwerge auf, welche, gut sichtbar für K, dessen Grundstück zugewandt standen. Im Laufe der Zeit folgten immer weitere dieser Figuren, welche der B selbst “Frustzwerge” nannte. So wurden die Zwerge in den gemeinsamen Hof gestellt, in den Fenstern der Wohnung des B, welche dem K zugewandt sind, im Garten aber auch im Dachvorsprung eines gegenüberliegenden Nebengebäudes. Bei diesen “Frustzwergen” handelte es sich jedoch nicht um gewöhnliche Gartenzwerge. So zeigte unter Anderem einer der Zwerge den erhobenen Mittelfinger, andere zeigten “einen Vogel” oder ihr entblößtes Hinterteil. Wieder andere hielten Schilder hoch, mit Aussagen wie “Pfälzer in die Pfalz, Wuppertaler in die Wupper” (Der Kläger stammt aus Wuppertal). Im Rahmen des Rechtsstreits verlangte der Kläger zum einen die Beseitigung der Zwerge, und weiterhin auch die Unterlassung ähnlicher Maßnahmen in der Zukunft.”

Für die Interessierten, der Anspruch ergab sich aus §1004 I BGB iVm §823 I BGB.


vgl. AG Grünstadt, Urteil vom 11.02.1994 – 2a C 334/93

Ist es nun möglich, jemanden durch Gartenzwerge bzw. sogenannte Frustzwerge, zu beleidigen?

Das Amtsgericht in Grünstadt hat dies bejaht. So sind die Zwerge, Achtung, “tönerne Stellvertreter, die anstelle des B den K beleidigen sollen”. Da B nicht selbst ständig mit erhobenem Mittelfinger vor dem Haus des K stehen kann, hat er einen entsprechenden Frustzwerg erschaffen.

Auch die Kunstfreiheit konnte hier unseren Beklagten nicht mehr retten. Denn diese findet dort ihre Grenzen, wo ein Kunstobjekt gezielt die Ehre eines Dritten, und ihn damit in seiner Menschenwürde nach Art. 1 I GG, verletzen soll. Und genau das stellte das Gericht hier fest. So war es davon überzeugt, wohl auch aufgrund der obigen Ausführungen, dass der Beklagte die Zwerge nicht aus künstlerischer Überzeugung, sondern rein aus der Motivation heraus, den Kläger zu beleidigen, hergestellt und platziert hat.

Die Klage hatte also Erfolg. Der Beklagte musste sowohl die eigens hergestellten Frustzwerge beseitigen, als auch ähnliche Maßnahmen zukünftig unterlassen.

Für die Klausur: Die Kunstfreiheit (Art. 5 III GG) wird generell schrankenlos gewährleistet (siehe “sind frei” im Gesetzestext). Dennoch wird sie letztlich durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt. Dazu gehören insbesondere, wie auch in diesem Fall vorliegend, die Grundrechte Dritter. Kunst, die als Hauptmotiv die Beleidigung oder Herabwürdigung einer anderen Person hat, wird somit nicht durch die Kunstfreiheit geschützt.

Das war auch schon das erste Türchen des “Kuriose-Urteile-Adventskalenders”. Morgen geht es dann selbstverständlich weiter. Diesmal dann auch, so viel sei gesagt, ohne Nachbarschaftsstreitigkeiten und garantiert ohne Gartenzwerge.

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